Warum der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ bestenfalls trivial ist

Der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“, der im aktuellen Diskurs über Bildung und Digitalisierung sehr häufig zu hören ist, hat mindestens drei Lesarten, die im Folgenden kurz kritisch betrachtet werden. „Pädagogik vor Technik“ kann demnach meinen,

  1. dass Technik dem Menschen dienen sollte, nicht der Mensch der Technik.
  2. dass man sich zunächst auf das pädagogische Kerngeschäft konzentrieren sollte, bevor man das Klassenzimmer für Technik öffnet.
  3. dass pädagogische Entscheidungen vor technischen Entscheidungen getroffen werden müssen.

Es wird sich herausstellen, dass Lesart (1) zwar wahr, aber bestenfalls trivial ist, während die Lesarten (2) und (3) falsch sind und schlimmstenfalls dazu führen, insbesondere die Potenziale digitaler Medien für den Unterricht zu verkennen.

Lesart 1: Trivialität

Ein prominenter Vertreter der These, dass sich die Technik dem Menschen unterzuordnen habe, ist der Augsburger Schulpädagoge Klaus Zierer, dessen Buch „Lernen 4.0“ (2017) gar den Untertitel „Pädagogik vor Technik“ trägt.

Wer die These vertritt, dass Technik dem Menschen zu dienen habe (und nicht umgekehrt) erntet rasch und kommod breite Zustimmung. Doch diese Zustimmung hat einen hohen Preis. Denn de facto gibt es keinen einzigen Pädagogen und keine einzige Pädagogin, der bzw. die ernsthaft und explizit die These vertreten würde, dass der Mensch der Technik zu dienen habe. Und eine Aussage, deren Negation so absurd ist, dass ihr niemand zustimmen würde, ist inhaltlich schlicht trivial. Die Zierer-Lesart des Grundsatzes „Pädagogik vor Technik“ ist daher keine gehaltvolle These, sondern eine semantische Seifenblase.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ vollkommen wertlos wird. Denn auch inhaltlich Triviales kann wichtige kommunikative Funktionen erfüllen: Wenn sich beispielsweise die nächste Schule anschickt, ohne jedes didaktische Konzept digitale Technik anzuschaffen, kann „Pädagogik vor Technik!“ als warnender Weckruf dienen, der etwas Selbstverständliches zurück ins Bewusstsein hebt, das zuvor möglicherweise durch Hardware-Euphorie vernebelt wurde.

Lesart 2: Technikblindheit

Die folgende Illustration kann als Ausgangspunkt für eine kritische Analyse der zweiten Lesart dienen:

Pädagogik-vor-Technik

Illustration von Katharina Bitzl. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 52 vom 03./04.03.2018, Buch II, S. 13.

Pädagogik wird hier durch Buch, Stift und Schrift visualisiert. Pädagogisches Handeln bedeutet also beispielsweise, Lesen und Schreiben zu lehren. Die Technik in Gestalt eines Tablets, auf dem Schreibschwünge durch kleine Pfeile angedeutet werden, bleibt im Hintergrund (und könnte auch eine Schiefertafel sein).

Illustriert wird hier ein Common-sense-Verständnis unterrichtlicher Technik, zu deren Gegenstandsbereich gewöhnlich vom OHP über das Whiteboard bis zum Smartphone vor allem elektronische Geräte gezählt werden. Doch natürlich sind auch Schrift und Buch Formen von Technik: Die frühe Neuzeit war maßgeblich durch die Konkurrenz von Schreib- und Druckkunst um die Führungsrolle in der Informationstechnologie geprägt und der beispiellos komplexe Buchdruck, die ars nova ingeniosa,  galt als High-Tech des 15. Jahrhunderts (vgl. Giesecke 1998, S. 67).

Für uns sind Schrift und Typografie hingegen so selbstverständlich geworden, dass ihr technologischer Charakter kaum noch wahrgenommen wird. Das kann zu der falschen Vorstellung führen, der auf Buch und Schrift basierende Unterricht sei durch eine Pädagogik geprägt, die ganz ohne Technik auskomme. Wenn man über das Verhältnis von Pädagogik und Technik nachdenkt, ist es jedoch entscheidend, auch Schrift und Buch als Unterrichts-Techniken zu identifizieren.

Vor diesem Hintergrund entpuppt sich der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ in der aktuellen Debatte als versteckt-bewahrpädagogischer Appell: „Setze zuerst auf die Buch-und-Schrift-Pädagogik, bevor Du (digitale) Technik in Deine (didaktischen) Überlegungen einbeziehst!“.

Doch wer dieser Aufforderung folgt, blendet nicht nur aus, wie sehr die traditionelle Pädagogik durch Buch- und Schrift-Technik geprägt ist. Aus der Buch-und-Schrift-Perspektive wird es auch sehr schwierig, sich an Prinzipien zeitgemäßer Bildung zu orientieren.

Lesart 3: Kulturblindheit

Die dritte Lesart des Grundsatzes „Pädagogik vor Technik“ ist eine Variation des Themas, das schon in der zweiten Lesart anklingt. Die These, dass pädagogische Entscheidungen prinzipiell vor technischen Entscheidungen zu treffen sind, blendet ebenfalls aus, wie sehr der pädagogische Handlungs- und Entscheidungsraum durch die vorhandene Technik mitbestimmt wird.

Die Privilegierung der Pädagogik vor der Technik gemahnt darüber hinaus an Klafkis „Primat der Didaktik“, das den Zusammenhang zwischen Unterrichtszielen und Methoden in einer Ziel-Weg-Analogie abbildet:

[M]an muß das Ziel kennen, um über den Weg entscheiden zu können.“ (Klafki 1961, S. 76).

Wenn man den Unterricht auf der Grundlage dieses Prinzips planen will, legt man also zunächst die Ziele fest, die es zu erreichen gilt, und entscheidet erst in einem zweiten Schritt, mit welchen Methoden diese Ziele am besten zu erreichen sind.

Der blinde Fleck dieser Vorgehensweise zeigt sich aktuell in der Debatte um den Mehrwert digitaler Medien. Dieser Mehrwert scheint nur dann gegeben zu sein, wenn sich die vorab gesetzten Ziele mit digitalen Medien besser, schneller, nachhaltiger etc. erreichen lassen als auf traditionellem Wege.

Ausgeblendet wird bei diesem Vorgehen, dass die unterrichtlichen Zieldimensionen nicht unabhängig von medialen und technischen Rahmenbedingungen sind. Vereinfacht gesagt: Die Ziele, die sich in einem ausschließlich auf Buch und Schrift basierenden Unterricht realistischerweise erreichen lassen, unterscheiden sich signifikant von den Zielen, die man mit Buch, Schrift, Tablet und Internetzugang ansteuern kann. Der wahre Mehrwert digitaler Medien besteht also nicht darin, alte Ziele schneller zu erreichen, sondern völlig neue Zieldimensionen erstmals zu erschließen.

Das Motto „Pädagogik vor Technik“ verstellt nicht nur den Blick auf diese Zusammenhänge, sondern auch auf die radikal-disruptiven Veränderungen, die für die Phase der Leitmedientransformation prägend sind: Es geht darum, dass die gesamte Gesellschaft durch die Kultur der Digitalität (sensu Stalder 2016) in eine neue Denk-Nährlösung, „a new medium to think and imagine differently“ (Manovich 2013, S. 13) getaucht wird, in der auch solche Begriffe wie „Lernen“ und „Wissen“ neue Bedeutungen erhalten (vgl. hierzu z.B. Weinberger 2011).

Aus der „Pädagogik vor Technik“-Perspektive bleiben diese komplexen Interdependenzen, die für das Verständnis der Kultur der Digitalität und der Veränderungen im Bereich des Lernens und Lehrens entscheidend sind, weitgehend unsichtbar.

Es ist daher auch wenig überraschend, dass sich die These „Lernen bleibt […] Lernen – ob digital oder nicht“ (Zierer 2017, S. 53), die gleich auf mehreren Ebenen problematisch ist, nahtlos in ein Gedankengebäude integrieren lässt, in dem der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ eine zentrale Bedeutung besitzt.

Fazit

Der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ ist bestenfalls trivial, schlimmstenfalls ein Baustein einer Theorie, die ungeeignet ist, Lernen und Lehren unter den Bedingungen der Digitalität angemessen zu beschreiben – geschweige denn zu analysieren oder zu gestalten.

Aus dem Bereich der allgemeinen Didaktik gibt es seit mehr als einem halben Jahrhundert eine rationale Alternative zu den kurzsichtigen „X kommt vor Y“-Modellen. Sie beruht auf der Einsicht, dass Unterricht ein vieldimensionaler Prozess von größter Faktorenkomplexität ist, dem man theoretisch nur gerecht werden kann, wenn man die Interdependenzen zwischen den einzelnen Faktoren aufzeigt.

Die Rede geht – natürlich! – vom Berliner Modell (vgl. Heimann/Otto/Schulz 1965), in dem nicht zufällig die Medienwahl erstmals als eigenständiges Entscheidungsfeld, d.h. nicht als Teil der Methodik, auftaucht.

Anstatt weiter „Pädagogik vor Technik“ zu rufen, den Einfluss von Technik auf die Pädagogik und den Einfluss von Medien auf Kultur und Gesellschaft tendenziell auszublenden, gilt es daher, die Interdependenzen der Faktoren zu analysieren, die Lernen unter den Bedingungen der Digitalität konstituieren.

Für den Bereich des E-Learnings hat Karla Spendrin (2013) bereits einen interessanten Ansatz vorgelegt, der explizit auf dem Berliner Modell basiert. Es steht zu hoffen, dass weitere solcher Vorschläge folgen.


P.S.: Ein herzlicher Dank geht an Katharina Bitzl, die mir erlaubt hat, ihre wunderbare Illustration in diesem Text zu nutzen.

Literatur:

Giesecke, Michael (1998): Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Heimann, Paul/Otto, Gunter/Schulz, Wolfgang (1965): Unterricht. Analyse und Planung. 1/2. Hannover: Schroedel.

Klafki, Wolfgang (1961): Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Unveränderter Nachdruck der Auflage von 1975. Weinheim und Basel: Beltz 2010.

Manovich, Lev (2013): Software Takes Command. New York/London/Oxford/New Delhi/Sydney: Bloomsbury.

Spendrin, Karla (2013): Allgemeine Didaktik und E-Learning. Eine Annäherung. In: merz 5, S. 12-18.

Stalder, Felix (2016): Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp 2016

Weinberger, David (2011): Too big to know. New York: Basic Books 2011.

Zierer, Klaus (2017): Lernen 4.0. Pädagogik vor Technik. Möglichkeiten und Grenzen einer Digitalisierung im Bildungsbereich. Hohengehren: Schneider.

28 Gedanken zu “Warum der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ bestenfalls trivial ist

  1. Lieber Alex Krommer

    Ob trivial oder nicht oder Bewahrpädagogisch oder irgendwas – aus meiner Erfahrung fehlt hier eine wichtige Betrachtung, welche du im Abschnitt „Lesart 1, dritter Abschnitt“ anklingen lässt. Die Maxime, dass erst eine pädagogische Konzeption notwendig ist, um dann die entsprechende technische Umsetzung zu beschaffen, ist leider weder selbstverständlich noch im Alltag verbreitet.
    Ich berate Schulen bei der Erarbeitung von Konzepten „Medien und Informatik“ und der korrekten Beschaffung von Hard- und Software. Dabei treffe ich überwiegend auf Schulen, insbesondere im Lehrkörper, bei welchen die Entscheide zur Hardwarebeschaffung und zum Technikeinsatz weitestgehend persönlich motiviert sind – das leistungsfähigste Laptop, möglichst viele Tablets, Screens und Visualizer und, und, und. Wird die Frage nach dem geplanten oder erwünschten Einsatz gestellt, so verharren wir weitgehend beim Einsatz von Lernsoftware zum repetitiven Üben von Kompetenzen in den Fächern Deutsch, Fremdsprachen und Mathematik. Dazu kommen die allseits beliebten PPT-Präsentationen und eine diffuse „Recherche im Internet“. Wenn es dann um die Leistungsfähigkeit der Netzwerke geht, werden landauf-landab „Videoprojekte“ realisiert – könnte man meinen.
    Um das klarzustellen – ich setze mich vehement dafür ein, dass digitale Medien selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichtes sind, dass unsere zukünftigen Generationen medienkompetent gemacht werden müssen und dass dafür adäquate technische Mittel zur Verfügung stehen müssen.
    Wenn ich aber sehe, in welche trivialer Weise diese Technologien genutzt werden, so finde ich es halt sehr zentral, dass der Einsatz dieser – und anderer Unterrichtsmittel und -techniken – auf einem methodischen und didaktischen – oder eben pädagogischen konzept aufbaut.
    Und dabei muss es den Schulträgern durchaus gestattet sein, die Fragen nach Mehrwert und Nachhaltigkeit zu stellen – weil eben die „Erschliessung völlig neuer Zieldimensionen“ zwar wünschenswert ist, aktuell aber kaum etwas mit der „digitalen“ Realität in der alltäglichen Nutzung zu tun hat. Da mögen auch „digitale/mediale Leuchttürme“ in Form von (zu) wenigen innovativen Pionieren wenig zu ändern, solange die Finanzen in erster Linie für Technologie eingesetzt werden, die Erarbeitung pädagogischer Konzeptionen oder der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen aber weit dahinter rangieren, was die Ressourcen anbelangt.
    Mir scheint aus dieser Betrachtung der Grundsatz „Pädagogik vor Technik“ weder bewahrpädagogisch noch trivial, sondern ein Ruf nach einem Komplettpaket, das unabdingbar ist. Man könnte die These vielleicht etwas umformulieren, „Technik baut auf der Pädagogik auf“.

    Freundlich, Danny Frischknecht

    p.s. Ich hoffe, es ist nicht zu trivial, dass ich meine Beobachtungen nicht mit einer langen und gewichtigen Literaturliste begründen kann sondern nur auf der täglichen, praktischen und über fünfzehnjährigen Erfahrung aus beinahe 150 begleiteten Schulen verschiedenster Stufen und Grössen.

    • Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar.

      @Trivialität:

      Dass die Erinnerung an etwas Triviales eine wichtige Funktion im alltäglichen Geschäft der Schulentwicklung besitzen kann, habe ich ja (kurz) angedeutet. Deine Hinweise zeigen, WIE wichtig diese Funktion ist. Die erste Lesart des Grundsatzes „Pädagogik vor Technik“ ist ja auch die, die keinen (bzw. nur wenig) „Schaden“ anrichtet.

      @Neue Zieldimensionen:

      Mir ist klar, dass es im curricular geregelten Alltag nicht darum gehen kann, in erster Linie neue Zieldimensionen zu erschließen. Und mir ist auch klar, dass der „Mehrwert“ digitaler Medien in den allermeisten Fällen daran gemessen wird, ob die alten Ziele besser erreicht werden können. Und in diesen Denkrahmen passt „Pädagogik vor Technik“ wunderbar. Allerdings – und das ist das Ziel meiner Kritik – verstellt der Grundsatz eben den Blick auf die wahren Potenziale digitaler Medien – jenseits des unterrichtlichen Alltags.

  2. Pingback: "Pädagogik ist wichtiger als Technik"... oder nicht? - Lernhandwerk

  3. I wil answer in English, it is a very accurate assessment of the current situation. I like to invite you to check my smaller explaining video on the underlying problem. I grew up in Germany and the problem is not so obvious till I began to investigate my son schooling and discovered that both language suffer from same problem.

  4. Liebe(r) Anonymous,

    ich habe explizit darauf hingewiesen, dass Trivialitäten durchaus wichtige Funktionen erfüllen können. Zierers SZ-Text zeigt einige solcher Anwendungsfälle, die natürlich selbst nicht trivial sind. Dadurch wird „Pädagogik vor Technik“ jedoch nicht zu einer gehaltvollen These.

    Diese beiden Ebenen muss man sorgfältig trennen.

  5. Pingback: Wie ein Common-Sense-Medienbegriff zu pädagogischen Fehlschlüssen führt | Bildung unter Bedingungen der Digitalität

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  7. Hallo Herr Krommer,

    mit Interesse lese ich die Aufdröselung des Technikbegriffs in Schulen. Ich möchte Ihren Blick zu diesem Punkt einmal auf die Grundschule lenken. Sie schreiben in Ihrem Dossier, dass Schulen Technik vor allem als digitale Technik betrachten, wenn ich das richtig verstanden habe. Das ist so nicht ganz vollständig. Grundschulen vermitteln in der Regel vor allem Techniken im Sinne von Verfahren und Fertigkeiten. Ich stimme Ihnen zu, dass auch das Buch Techniken mit sich trägt. Das muss mE viel mehr betont werden.
    Technik ist gerade beim Lernprozess elementarer Fertigkeiten viel mehr als die Benutzung eines Mediums und Voraussetzung für alles, was danach kommt, auch die so genannte Digitalität, in die wir hineinwachsen. Wir sprechen in der Pädagogik als Lehrpersonen auch von Technik beim Prozess des Lesenlernens, sprich die Synthese, der Technik des Schreibenlernens, der Technik einen Pinsel zu halten, der Technik des Singens, der Technik, ein Instrument zu spielen, ein Werkzeug zu bedienen, alles. Auch eine Technik des Auswendiglernens, die gern als überholt angesehen wird, ist Voraussetzung für jeden Musiker, Sänger, Schauspieler, Sprachen, Naturwissenschaftler und jeden, der sich viele Dinge merken und dieses Wissen adhoc abrufen können muss, damit er erfolgreich ist. Wissen macht Spaß und ist mehr als wissen, wo etwas steht.
    Je größer das Beherrschen dieser ganzen Techniken ist, desto größer ist der Fundus, auf den jemand zurückgreifen kann, und desto größer ist meiner Erfahrung nach idR seine Kreativität. Das dazu.

    Zu diesem Statement würde ich mich für Beispiele für die Grundschule, in der es um den Erwerb der Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen im Sinne mathematischer Grundfertigkeiten geht, interessieren: „Der wahre Mehrwert digitaler Medien besteht also nicht darin, alte Ziele schneller zu erreichen, sondern völlig neue Zieldimensionen erstmals zu erschließen.“ Welche Zieldimensionen sollen Ihrer Meinung nach in der Grundschule konkret neu erschlossen werden? Welche Erfahrungen haben Sie in der Grundschule gemacht?

    Schöne Grüße
    D. A. User

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  10. Hallo Herr Krommer. Ich bin jetzt erst auf Ihre Seite aufmerksam geworden, leider. Ich hätte zu all Ihren Texten eine grundsätzliche Frage. Was ist das Ziel und wer legt es fest? Den Erfolg einer Transformation kann man meiner Meinung nach nur evaluieren, wenn man ein Ziel erreichen kann, an dem die Ergebnisse gemessen werden können. Wir Lehrer sind gerade Versuchskaninchen. Es gibt keine Erfahrungswerte, keinen Plan. 5 Milliarden werden jetzt ausgeschüttet, unsere Schule hat keine Ahnung, wofür wir das Geld ausgeben sollen. Einige arbeiten mit Tablets, andere mit Laptops. Einige Klassenzimmer haben Beamer, andere Whiteboards. Einige nehmen Skinner Apps als Lernzielkontrolle, andere arbeiten mit Stiften am Whiteboard. Wir wollen Schüler fit für die digitale Welt machen, aber wie? Confirmation Bias, Filter Bubble, Fake News schön und gut. Das kann man erklären, geht aber auch ohne Gerät. Weiterhin prüft das KM wohl gerade alles Digitale auf Datenschutz. Wo stehen die Server? Wie werden Programme verwendet? Welche Daten werden wie weitergegeben? Sie kritisieren den Begriff „Mehrwert“ in einem Ihrer Texte. Genau darum geht es aber. Ich arbeite seit Jahren digital, habe alles mögliche durch. Von offenen bis geschlossenen Formen in allen Varianten. Mehrwert zum klassischen Unterricht? Keine Ahnung. Die Schüler sind nicht kompetenter dadurch. Ich lebe von meiner Sprache, die SuS hören mir gerne zu. Ich versuche beide Welten zu vereinen, aber so einfach geht das alles nicht. Gäbe es einen Plan, ein Ziel, würde ich nicht so im Nebel bohren. Andere bohren erst gar nicht und ich kann das verstehen. Auf was bereiten wir denn Schüler da vor, wenn wir nicht mal wissen, wie unsere Welt bei steigender Lernkurve der Digitalisierung in zwanzig Jahren aussieht? Was für mich bleibt ist Zierer. Pädagogik vor Technik. Denn das Miteinander und das Füreinander von Lehrern und Schülern wird immer eine zentrale Rolle spielen. Auch wenn unsere Welt derart durchdigitalisiert und optimiert ist, dass wir mit einem Lächeln auf dieses “Rumgeeiere“ heute zurückschauen werden. Mit freundlichen Grüßen

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  12. @Helmut: Auch ich bin der Meinung, dass die Milliarden für Hardware in den Sand gesetzt sind, wenn kein pädagogisches Konzept für Lernen unter den Bedingungen des digitalen Wandels besteht.
    Es dürfte aber deutlich sein, dass in Wirtschaft und Wissenschaft die Tendenz schon lange zu kollaborativem Arbeiten geht.
    Wenn man die Möglichkeiten, die das Internet dafür sinnvoll einsetzen will, dann reicht es nicht aus, wenn man Gruppenarbeit nur an gemeinsam vorgetragenen Powerpointvorträgen übt.
    Welche Möglichkeiten es gäbe, deutet Martin Lindner in „Die Bildung und das Netz“ an. Besonders interessant scheint mir dabei der letzte Teil. (Hier gibt es einige Auszüge daraus: https://wiki.zum.de/wiki/Die_Bildung_und_das_Netz#Teil_9:_Handbuch_f.C3.BCr_Guerilla-LernerInnen)

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  14. Hallo Herr Krommer,
    ich bin auf Ihren Beitrag erst durch den Reader #digitaleBildung gestoßen. Voranstehend haben ja mehrere Praktiker betont, wie wichtig pädagogische Konzepte vor dem Einsatz digitaler Medien sind. Ich denke, dass die Formulierung „Pädagogik vor Technik“ unglücklich ist, da gefällt mir Ihre Referenz auf Klafki, der sagt „Didaktik vor Methodik“ sehr viel besser. Sie versuchen Klafki auszuhebeln, indem Sie behaupten, es gäbe einen „vieldimensionalen Prozess von größter Faktenkomplexität“ durch den die Gesellschaft mit einer „Kultur der Digitalität in eine neue Denk-Nährlösung getaucht wird.“ Mit anderen Worten, die Didaktik wird von der Digitalisierung eingeholt und muss in ihrer Interdependenz mitgedacht werden.
    Sorry, das ist mir zu viel Wortgeklingel. Haben Sie das neue Denken schon gesehen? Die Kultur der Digitalität, was ist das?
    Dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert – gar keine Frage! Aber ob ich in Bibliotheken mühsam Bücher bestellen muss, oder sehr elegant (allerdings nur bei hoher Kompetenz) das Internet zur Informationsbeschaffung nutzen kann, das beeinflusst sicher die Reichweite und Geschwindigkeit meines Wissenserwerbs, und ich mag auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen – aber ist das ein neues Denken? Jedes Informationspixel, egal wo es herkommt, egal in welchen Kontexten es gesellschaftlich zur Verfügung steht, muss in meinem Gehirn verarbeitet werden (Konstruktivismus) und damit unterliegt unser Denken immer noch den Gesetzen des Gehirns und nicht der äußeren Digitalisierung.
    In dem Reader #digitaleBildung stellt der Mitautor Muuß-Merholz m.E. richtig dar, dass digitale Medien im Unterrichtseinsatz keinen eingebauten Pädagogikmechanismus haben. Man kann damit altbackenen Frontalunterricht in neuer Form praktizieren, man kann aber auch Lernformen erproben die den Lernenden Spielräume zur eigenen Methoden- und Zielwahl lassen.
    Die dafür notwendige didaktische Abwägung versuchen Sie wieder in Ihrem Beitrag mit dem Mehrwertargument wegzuwischen. Das überzeugt mich nicht, denn die Frage, ob z.B. analoge oder digitale Mittel einzusetzen sind, ist nicht eine Frage von besser und schlechter, sondern eine Frage der Funktionalität, was ist angemessen? Und dazu brauche ich Didaktik, bzw. ich muss wissen, was will ich für Lernziele in welchem Kontext erreichen, und was brauche ich dazu.
    Es gibt eine unsägliche Polarisation im Ausspielen einer vermeintlich „analogen“ Pädagogik gegen eine vermeintlich „digitale Pädagogik“. Dagegen wollen Sie ja wohl antreten. Aber im Hintergrund reden Sie von einem „Neuen Lernen“ gegen ein „altes Lernen“ – ist das wirklich der bessere Weg??
    Mit freundlichen verspäteten Grüßen
    Heino Apel

    • Lieber Herr Apel,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Dass Sie meine Thesen nicht teilen, hat aus meiner Sicht viele Gründe. Zwei will ich rasch nennen:

      Zum einen scheint es für Sie fraglich zu sein, ob es überhaupt eine Kultur der Digitalität gibt. Wenn das – trotz aller gegenteiliger Evidenzen – Ihre Überzeugung ist, werden wir nicht auf einen Nenner kommen.

      Zum anderen glauben Sie, dass es ein „neues Denken“ nicht geben könne, weil sich die Art und Weise, wie im Gehirn Informationen verarbeitet werden, nicht verändert. Das ist eine naturalistische Verkürzung des Lernbegriffs, die unter dem Schlagwort „Lernen bleibt Lernen!“ in der konservativen Schulpädagogik verbreitet wird und schlicht falsch ist.

      Es passt in dieses Bild, dass Sie auch meine Argumente gegen den Mehrwertbegriff als Versuch missverstehen, didaktische Abwägungen „wegzuwischen“.

      Kurz: Im Grunde bewegen Sie sich argumentativ auf der Zierer-Linie. Kein Wunder, dass wir uns nicht einig sind.

  15. Hallo Herr Krommer,

    ich zähme das Pferd mal von hinten auf und füge eine weitere oder zumindest eine gegen den Strich gekämmte Lesart 3b hinzu.

    Warum haben Physiker Atombomben entwickelt, wo sie doch um das massive Vernichtungspotential dieser Waffen wissen mussten? Eine mögliche Antwort liegt in der Faszination des technische Machbaren. Wissenschaftler blenden leider häufig die gesellschaftliche Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Innovationen als außerwissenschaftlichen Kontext aus. Die Atombombe ist hier nur ein extremes Beispiel und meine These in dem Fall keinesfalls belegt. Die Frage, die ich mit diesem kleinen Gedankenexperiment verdeutlichen möchte, ist die folgende: Ist es denkbar, dass eine Vertiefung in technische Details bei der Suche nach einer Problemlösungen zu einem Selbstzweck werden kann, was dazu führt, dass andere Kontexte – moralischer oder auch anderer Art – letztlich ausgeblendet werden?

    Was hat das Ganze nun mit Didaktik und digitalen Medien zu tun? In diesem Bereich spielt die Technik eine besondere Rolle. Sie bietet einen Rahmen für die Darbietung und Bearbeitung von Inhalten. Und genauso wie Facebook etwa die Darstellung des Selbst im öffentlichen Raum durch vorkonfektionierte Profilseiten, durch die Bereitstellung eines Rahmes prägt, bestimmt auch der technische Rahmen für Bildungsangebote die Bildungsangebote selbst wesentlich mit. Wenn bestimmte Formate zur Verfügung stehen, um Inhalte aufzubereiten, kann die Aufbereitung der Inhalte zum Selbstzweck geraten. (Wenn etwa bei einer PowerPoint Präsentation die gelungene graphische Darstellung und nicht die Inhalte im MIttelpunkt stehen) Ob die Form der Aufbereitung für gerade diesen besonderen Inhalte angemessen ist, wird dann nicht mehr gefragt. Hauptsache es funktioniert technisch. In der Diskussion „Pädagogik vor Technik“ wird darauf aufmerksam gemacht, dass die pädagogischen Überlegungen der technischen Umsetzung den Weg weisen sollten und nicht umgekehrt. Letztlich geht es darum das technisch Machbare mit dem pädagogisch Sinnvollen zu verbinden.

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