Warum wir kein digital gestütztes Lernen brauchen – ein Bildungs-Puzzle

Der vorliegende Text zeigt, dass sich der häufig verwendete Ausdruck „digital gestütztes Lernen“ nahtlos in ein wirkmächtiges Bild von Schule und Unterricht einfügt, das mit den Prinzipien des zeitgemäßen Lernens nur in den seltensten Fällen kompatibel ist. Die einzelnen Puzzle-Teile dieses Bildes werden im Folgenden kurz skizziert, erläutert und am Ende sogar buchstäblich zusammengesetzt. 

Der Text stellt keine pauschale Abwertung des Ausdrucks „digital gestütztes Lernen“ dar. Und er impliziert erst recht keine pauschale und undifferenzierte Verurteilung derjenigen, die ihn verwenden.

Vielmehr geht es um die gezielte Kritik bestimmter Verwendungsweisen und um begriffliche Affordanzen: Argumentiert wird für die These, dass der Begriff eher dazu einlädt, über die Fortsetzung des traditionellen Unterrichts mit digitalen Hilfsmitteln nachzudenken, als die Auswirkungen des kulturellen Wandels auf das schulische Lernen zu reflektieren.

Ein Begriff aus dem letzten Jahrtausend

Eine erste problematische Ebene lässt sich anhand einer aktuellen Begriffsbestimmung aufzeigen. In dem jüngst erschienenen Buch „Digital gestütztes Lernen“ heißt es bei Rolff und Thünken (2020, S. 9):

Digitalisierung ist im rasanten Anmarsch: Immer mehr Schulen in der aufkommenden Wissensgesellschaft begeben sich auf den Weg in die Digitalisierung. Dabei geht es nicht nur – wie bisher – um medienpädagogisches Lernen über neue Medien, sondern um innovatives Lernen mit neuen, nämlich digitalen Medien. Wir nennen es ‘Digital gestütztes Lernen’ oder kurz DgL. 

Diese kurze Passage aus dem Jahre 2020 ist bemerkenswert, weil sie auch aus den späten 1990er Jahren stammen könnte. Damals sprach man noch unbeschwert von „neuen Medien“ und integrierte mit Initiativen wie „Schulen ans Netz“ das Internet zaghaft in den Schulalltag (vgl. Goltzsch 1997; Peters 1999). Gleichwohl war die Digitalisierung längst „im Anmarsch“, man sah sich auf dem Weg in die „Wissensgesellschaft“ (vgl. Rüttgers 1997) und es wurden bereits innovative Konzepte für das Lernen mit digitalen Medien entwickelt (vgl. z.B. Berghoff/Frederking 1999). Und selbstverständlich war auch die Differenzierung zwischen Lernen über „neue“ Medien und Lernen mit „neuen“ Medien vor knapp einem Vierteljahrhundert bereits fachdidaktisch etabliert (vgl. z.B. Wermke 1997, Kapitel 4.3).

Kurz: Begrifflich und gedanklich ist das Zitat von Rolff und Thünken eindeutig im letzten Jahrtausend zu verorten. Und dorthin gehört – wie im Folgenden deutlich wird – auch das Konzept des digital gestützten Lernens. 

Lernen bleibt nicht Lernen

Lernen ist keine isolierte Tätigkeit, die sich in einem kulturellen Vakuum vollzieht. Und es lässt sich auch nicht auf Hirnprozesse reduzieren, die seit Äonen unverändert geblieben sind. Das ist die Argumentationslinie, mit der z.B. Zierer (2018, S. 62-70) versucht, den fragwürdigen Grundsatz „Lernen bleibt Lernen“ zu begründen: Die Evolution des Gehirns könne mit der digitalen Revolution nicht mithalten. Wir würden im Prinzip noch genauso lernen wie im Pleistozän.

Zierer legt normalerweise großen Wert darauf, den „Menschen mit seinen ganzen Möglichkeiten“ (Nida-Rümelin/Zierer 2017. S. 23) in den Blick zu nehmen, und rückt z.B. die PISA-Studie in die Nähe „inhumaner Bildung“ (ebd.), weil sie sich nur auf kognitive Einzelbereiche des Menschen konzentriere. Es muss daher verwundern, dass er den lernenden Menschen zu einer Ansammlung feuernder Neuronen und Synapsen degradiert, um den Grundsatz „Lernen bleibt Lernen“ zu begründen. Der Kategorienfehler, der hier vorliegt, ist vergleichbar mit dem Versuch, italienische Esskultur auf Verdauungsvorgänge  zu reduzieren.

Doch selbst dann, wenn die Neurowissenschaften Bewusstsein und Lernen rein physiologisch erklären könnten – wovon sie weit entfernt sind (vgl. Harris 2019) –, wären es nicht Gehirne, die lernen, sondern Personen, die in komplexen Umwelten leben. Das Gehirn lernt ebenso wenig, wie Beine laufen, Augen sehen oder Ohren hören (vgl. Beckermann 2008, S. 63-67).

Wie man lernt, was man lernt, was als Wissen zählt, wie man Wissen strukturiert, aufbewahrt und weitergibt – all das wird von medialen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen geprägt, die man als Paradigmen bezeichnen kann (vgl. Krommer 2019). 

Im Paradigma der Mündlichkeit lernt man anders als im Paradigma der Schriftlichkeit (vgl. Ong 2016). Und die Buchkultur begünstigt andere Formen des Lernens und Wissens als die Kultur der Digitalität (vgl. Gieseke 1998; Gnanadesikan 2011; Stalder 2016). Wie z.B. die materiellen Eigenschaften des Buches unser Verständnis von Wissen bis heute prägen, hat Weinberger (2011, S. 100) auf den Punkt gebracht:

Books do not express the nature of knowledge. They express the nature of knowledge committed to paper cut into pages without regard for the edges of ideas, bound together, printed in mass quantities, and distributed, all within boundaries set by an economic system. To think that knowledge is shaped like books is to marvel that a rock fits so well in its hole in the ground.

Es gibt also nicht auf der einen Seite den monolithischen Block des unveränderlichen Lernens und auf der anderen Seite die jeweils neueste Technik, mit der man das Lernen mehr oder weniger gut „stützen“ kann, wie es der Begriff des digital gestützten Lernens suggeriert.

Auch das Lesen und Schreiben bzw. die Sprache werden nicht einfach „digital gestützt“, sondern gehören zu einer veränderten sozialen, kulturellen und medialen Umwelt. Das haben u.a.  Lauer (2020) und Lobin (2018) differenziert herausgearbeitet. Über das Lesen im digitalen Zeitalter schreibt Lauer (2020, S. 124):

Buch und Lesen werden nicht digital in dem simplen Sinn, dass bald schon das Buch ein Bildschirm wird und das Lesen nicht ohne Strom erfolgen könnte. Vielmehr werden Buch und Lesen Teil einer umfassenderen digitalen Kultur, in der auch das Gespräch über Bücher digital geworden ist. Das Buch hat sich neue Kaffeehäuser und Zeitungen gesucht und hat sie in den Smartphones der Jugendlichen und in den sozialen Medien längst gefunden.

Kurz: Der Grundsatz, dass Lernen immer Lernen bleibe, egal, ob mit oder ohne digitale Medien, ist so sinnvoll wie der Grundsatz, dass Atmen immer Atmen bleibe, egal, ob über oder unter Wasser.

Zuckerwürfel-Lernen

Der abstrakte Zusammenhang zwischen Lernen (bzw. Wissen) und wechselnden paradigmatischen Rahmenbedingungen lässt sich durch eine (schiefe) Analogie verdeutlichen:

Man stelle sich einige Zuckerwürfel vor, die in einem trockenen Behälter aufbewahrt werden. Sie repräsentieren das Wissen im Paradigma der Typografie. Zuckerwürfel sind – wie Bücher – klar umgrenzte Einheiten, die bestimmte Handlungen (=Lernen) ermöglichen: Sie lassen sich z.B. hin- und herschieben oder stapeln.

Nun wird der Behälter mit Wasser gefüllt, das die Luft verdrängt. Das entspricht dem Übergang von der Buchkultur in die Kultur der Digitalität. Die Zuckerwürfel lösen sich auf, verlieren ihre Form und sind nicht mehr in derselben Weise greif- und manipulierbar. Natürlich könnte man „Zucker bleibt Zucker!” rufen und auf die kleinsten chemischen Bestandteile des Zuckers verweisen, die sich möglicherweise nicht verändert haben. Doch das wäre ein klarer Kategorienfehler.

Das folgende Video, das aus dem Jahr 2014 (!) stammt und begrifflich schon sehr in die Jahre gekommen ist, stellt den Versuch dar, die Zuckerwürfel-Analogie zu visualisieren:

Schulkultur vs. Kultur der Digitalität

Die Zuckerwürfel-Analogie verdeutlicht, dass alles Lernen in einer kulturell-institutionellen Nährlösung schwimmt und dass die Rahmenbedingungen des Lernens bewusst reflektiert werden sollten. Hier zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen der innerschulischen und der außerschulischen (Lern-)Kultur.

Außerhalb der Schule leben und lernen wir in der Infosphere des Onlifes (vgl. Floridi 2014), d.h. in einer Welt, in der die digitale Online-Sphäre untrennbar mit der analogen Offline-Sphäre verwoben ist. „Online-Sein“ hat sich von einem technisch-quantitativen zu einem emotional-qualitativen Konzept entwickelt. Online zu sein, ist der Normalfall, „offline zu sein […] ein Ausnahmezustand – eine Notsituation“ (DIVSI 2014, S. 68). Diese Selbstverständlichkeit des Digitalen wird zu einem gesellschaftlichen Charakteristikum:

Der Zustand einer Gesellschaft, in dem der Unterschied zwischen digital und analog sich auflöst oder redundant wird, weil das einstmals neue Digitale bereits zu ihrer inhärenten Voraussetzung geworden ist, kann post-digital genannt werden. (Schmidt 2020, S. 57-58)

Doch wenn in der post-digitalen Gesellschaft von der „Digitalität als Hintergrund des Alltags“ (Macgilchrist 2019) gesprochen wird, ist der Schulalltag in der Regel nicht gemeint. Außerhalb der Schule ruft man „Oh! Kein WLAN!“, innerhalb hingegen: „Oh! Ein WLAN!“. Einmal markiert man den irritierenden Ausfall, einmal das überraschende Funktionieren der Technik. Von der Kultur der Digitalität ist die Schule daher weit entfernt. Sie schwimmt in einer Nährlösung aus Oralität, Skriptografie und Typografie. Das lässt sich am besten anhand der gängigen Prüfungsformate belegen: 

Während einer Prüfung herrscht das Primat der Präsenz, das vor allem  strenge Kontrolle ermöglicht (vgl. Lauer/Demantowsky 2020). Unter enormem Zeitdruck müssen dann isolierte Individuen auf der Basis des Wissens, das sie „im Kopf“ haben, einen handschriftlichen Text verfassen. Wörterbücher, Taschenrechner und andere technische Hilfsmittel dürfen nur mit einer Sondergenehmigung genutzt werden. Kernkompetenzen des 21. Jahrhunderts wie Kommunikation oder Kooperation gelten als Formen von Betrug. 

Kurz: Die institutionelle Lernwirklichkeit der Schule ist mit vielen Charakteristika der Kultur der Digitalität nicht kompatibel. Und solange die Schule auf (zentrale) Prüfungen vorbereitet, die unter den aktuellen Bedingungen stattfinden, wird sich die konzeptionelle Kluft zwischen institutionellen Lernprozessen und informellem Lernen außerhalb der Schule weiter vergrößern. 

Dass insbesondere die Suche nach zeitgemäßen Prüfungsformaten während der Corona-Krise neuen Schwung aufgenommen hat (vgl. z.B. Schmitz et al. 2020), ist daher ein gutes Zeichen.

Sechs gedankliche Sackgassen

Vor diesem Hintergrund lassen sich sechs problematische Affordanzen des Begriffes „digital gestütztes Lernen“ herausarbeiten. Er macht auf unterschiedlichen Ebenen verlockende Angebote, traditionellen Denkwegen zu folgen, die eines gemeinsam haben: Sie führen nicht in eine Kultur der Digitalität. 

1. Paradigmatisch ist das Konzept des digital gestützten Lernens weitgehend blind. Vielmehr wird (implizit) davon ausgegangen, dass die mediale Rahmung des Lernens und Unterrichtens eine zu vernachlässigende Größe sei. Lernen bleibt Lernen, guter Unterricht bleibt guter Unterricht – beides ist nach dieser Denkweise nicht an die Nutzung bestimmter Werkzeuge oder Stützen gekoppelt. Rolff und Thünken machen das im Fazit ihres Berichts über digital gestützten Unterricht an zwei Schulen in NRW sehr deutlich. Sie schreiben:

Alle beobachteten Unterrichtsstunden wiesen Kernmerkmale eines guten Unterrichts auf, wie er zunächst auch ohne digitale Medien stattfinden könnte. (Rolff/Thünken, 2020, S. 59. Hervorhebung von mir, A.K.)

Die Unabhängigkeit guten Unterrichts von (digitalen) Medien – das ist eine der gedanklichen Sackgassen, in die das Konzept des digital gestützten Lernens führt. 

2. Sprachlich besitzt der Ausdruck „digital gestütztes Lernen“ dieselbe Form wie „notdürftig reparierte Brücke“ und semantisch lädt er zu Verfallsmetaphern ein: Nur durch digitale Stützen kann der Einsturz des baufälligen Schulsystems noch verhindert werden, nur mit medialen Krücken kann sich „Herr Unterricht noch eine Weile aufrecht halten“ (Rosa 2018).

3. Medientheoretisch fußt das digital gestützte Lernen auf der unterkomplexen Annahme, digitale Medien seien in erster Linie nützliche und neutrale Werkzeuge bzw. technische Hilfsmittel zur Erreichung vorab festgelegter pädagogischer Ziele (kritisch dazu: Frederking/Krommer/Maiwald 2018, S. 11-17).

4. Didaktisch bedeutet das häufig, dass technische Medien im Prozess der Unterrichtsplanung erst ganz am Ende (nach Gegenständen, Zielen, Materialien, Methoden und Sozialformen) vorkommen und als „austauschbare Container [gelten], in denen das Material ausgeliefert wird.“ (Rosa 2017) Ob ein Buch gedruckt oder als E-Book genutzt wird, ist z.B. für Kerres (2020) „zunächst nur eine Variante des ‘delivery’.“

5. Bildungsgeschichtlich ist das Lernen, das digital gestützt werden soll, fest in der Buchkultur verankert. Buch und Schrift wirken wie natürliche Lernmedien, weil ihr (hoch-)technologischer Charakter fast vollständig verblasst ist, digitale Medien gelten hingegen als künstlich (vgl. hierzu Lauer 2020, S. 12). Technik scheint aus dieser Perspektive erst mit elektronischen bzw. digitalen Medien in den Unterricht Einzug zu halten. Der Begriff „digital gestütztes Lernen“ markiert dann den nur scheinbar bestehenden Unterschied zwischen „natürlichem“ Lernen mit Buch und Schrift und künstlichem Lernen mit digitaler Technik.

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum der – bestenfalls triviale (vgl. Krommer 2018a) – Grundsatz „Pädagogik vor Technik” bei Anhängern des traditionellen Unterrichts so populär ist. Er meint eigentlich: „Pädagogik, die auf Buch- und Schrift-Technik basiert, vor Pädagogik, die auf anderen Formen von Technik basiert“ und ist tendenziell konservativ. So grenzt sich z.B. der Philologenverband (PhV) aus NRW nicht zufällig unter der Überschrift „Pädagogik vor Technik“ vom progressiven #twitterlehrerzimmer ab, das der Kultur der Digitalität aus Sicht einer Standesorganisation wie dem PhV bedrohlich nahe zu kommen scheint.

6. Medienpädagogisch führt digital gestütztes Lernen fast zwangsläufig zur überflüssigen Frage nach dem Mehrwert des Digitalen (vgl. Krommer 2018b). Zuerst legt man getreu dem Motto „Pädagogik vor Technik“ alle Unterrichtsziele fest und anschließend begibt man sich auf die Suche nach geeigneten Werkzeugen, Hilfsmitteln und Stützen für den Unterricht. 

Weil man es der kalten Elektro-Technik nicht allzu leicht machen darf, muss sie – im Gegensatz zu Buch und Schrift – einen Mehrwert-Test bestehen, d.h. sie muss irgendwie besser sein als das Bewährte. Wenn sich herausstellt, dass das Neue zwar nicht besser, aber zumindest genauso gut ist, bleibt man sicherheitshalber beim Alten. 

Es trifft sich gut, dass mit dem SAMR-Modell (vgl. Puentedura 2015) ein Hilfsmittel zur Verfügung steht, das zwar in vielfacher Hinsicht defizitär ist (vgl. Akcaoglu et al. 2016), aber dennoch herangezogen wird, um die Suche nach dem Mehrwert (pseudo-)wissenschaftlich zu begründen. Es wird häufig – z.B. von Zierer (2018) – so interpretiert, dass sich der wahre Mehrwert des Digitalen erst auf den Stufen der „Modification“ und „Redefinition“ zeige, während insbesondere die Stufe der „Substitution” (=Ersetzung)  traditioneller Medien durch digitale Technik keinen Mehrwert aufweise. 

Gestützt auf das SAMR-Modell verhindert die rückwärtsgewandte Mehrwert-Logik ziemlich zuverlässig, dass digitale Medien ebenso selbstverständlich im Unterricht genutzt werden können wie Buch und Schrift, die vom Mehrwert-Test dauerhaft befreit sind. 

Trivialer Technikdeterminismus

Im Rahmen des digital gestützten Lernens wird häufig ein simpler argumentativer Trick genutzt, um die eigene Position zu stärken: Zunächst wird ein trivialer Technikdeterminismus imaginiert, demzufolge digitale Technik allein und automatisch das Lernen verbessern würde. Die dystopische Vorstellung, dass die Maschinen die didaktische Macht übernehmen könnten, wird dann mit einem beruhigenden Hinweis vom Tisch gewischt. Bei Rolff und Thünken (2020, S. 103) heißt es beispielsweise:

Die Annahme, dass die Ausstattung der Schule mit digitaler Technik alleine bewirkt, dass sich das Lernen verbessert, ist durch nichts begründet. (Rolff/Thünken 2020, S. 103)

Und führende Bildungsforscher fassen die Ergebnisse aufwändiger Studien regelmäßig in ebenso knappen wie gehaltlosen Sätzen wie diesem zusammen:

Die Technik allein genügt nicht. (Maaz 2020)

Das Problem solcher Aussagen ist ihre Trivialität: Denn es gibt keinen Wissenschaftler und keine Wissenschaftlerin, der bzw. die ernsthaft behauptet, dass durch digitale Technik alleine das Lernen und Lehren verbessert würde. Solche Behauptungen wären absurd. Sie zu negieren, ist trivial, aber öffentlichkeitswirksam. 

Deswegen werden diese Debatten-Strohmänner regelmäßig abgefackelt, bevor im Anschluss die (ebenfalls vollkommen selbstverständliche) Bedeutung von Konzepten und Menschen betont wird – nicht selten unter der Überschrift „Pädagogik vor Technik“ (wie bei Rolff/Thünken 2020, S. 103).

Vom trivialen Technikdeterminismus ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zum letzten Bollwerk gegen die Veränderung der Unterrichtskultur.

Auftritt John Hattie.

„Fast-Food-Hattie“

Mit dem Hinweis auf Hatties Meta-Meta-Analysen und die Effektstärken unterschiedlicher Faktoren im Bereich digitaler Technik wird versucht, die zentrale Frage „Was wirkt beim Lernen?“ wissenschaftlich genau zu beantworten. Positive Effektstärken sind ein Indikator für eine Verbesserung, negative für eine Verschlechterung der Lernleistung durch einen bestimmten Faktor (z.B. das Smartphone). Ab einer Effektstärke von d=0.4 spricht Hattie davon, dass ein Faktor gut wirkt, weil er zu einem überdurchschnittlich großen Lernzuwachs führt (vgl. z.B. Hattie 2008; Hattie/Zierer 2017 und Zierer 2018).

Man kann Hattie aus verschiedenen Perspektiven kritisieren. Zwei Aspekte seien kurz angedeutet:

Ein erster wichtiger Punkt ist sicherlich, dass die Frage „Was wirkt beim Lernen?“ eine kausale Frage ist und die Statistik aus historischen und methodischen Gründen ein „angespanntes“ Verhältnis zur Kausalität hat (vgl. zu den Details Pearl/MacKenzie 2018). So weisen Nagengast und Rose (2016, S. 15) darauf hin, dass „die Schätzung von kausalen Zusammenhängen zwischen Variablen“ einerseits zu den zentralen Herausforderungen der empirischen Bildungsforschung zählt, es andererseits jedoch nur eine geringe Zahl an experimentellen Forschungsdesigns mit randomisierter Zuweisung (RCT) gibt, „mit denen belastbare Kausalaussagen möglich wären.“ (ebd. S. 2). Im Vorwort zu „Visible Learning“ geht Hattie kurz auf das Problem der Kausalität und die Bedeutung von RCTs ein: 

Some have argued that the only legitimate support for causal claims can come from randomized control trials […]. There are few such studies among the many outlined in this book […] (Hattie 2008, S. 4)

Das Kausalitätsproblem gilt es also in jedem Fall zu bedenken, wenn man mit Hattie Antworten auf die Frage „Was wirkt beim Lernen?” sucht.

Ein zweiter problematischer Aspekt ist die schiere Komplexität des Unterrichts, d.h. der Situationen, in denen gelernt wird. Bezogen auf die geringen Effektstärken digitaler Medien schreibt Schaumburg (2018, S. 31): „Die Erklärung der enttäuschenden Befunde ist denkbar einfach: Unterricht mit digitalen Medien ist ein komplexes Geschäft.“ Und diese Komplexität wird – so Schaumburg – in den Hattie-Studien nicht angemessen abgebildet. Vielmehr „wird in der Regel eine technik-zentrierte Perspektive eingenommen – es wird […] zunächst nach der Lernwirksamkeit digitaler Medien gefragt, nicht nach der Lernwirksamkeit bestimmter Lehr-/Lernarrangements oder nach den Bedingungen des Lernens.“ (Schaumburg 2018, S. 32).

Was deutlich werden soll: Ein seriöser Umgang mit den Hattie-Studien setzt voraus, dass man die Komplexität des Gegenstandsbereichs angemessen berücksichtigt. Zierer (2015, S. 15-16) spricht von „Fast-Food-Hattie“, wenn dessen Studien verkürzt, selektiv oder falsch dargestellt werden, was im öffentlichen Diskurs häufig geschieht, um die eigene Position (scheinbar) mit Hattie zu stützen.

Anhänger des digital gestützten Lernens setzen regelmäßig auf eine Fast-Food-Hattie-Strategie, um zu zeigen, dass technische Medien in begrenztem Maße zwar nützliche kleine Werkzeuge sein können, gewöhnlich aber in ihrer Bedeutung überschätzt werden. Diese Strategie lässt sich exemplarisch an einem Text von Felten (2020) illustrieren.

Felten macht gleich zu Beginn deutlich, dass er die Schwärmereien und Verheißungen der Digitaleuphoriker nicht unbesehen zu teilen gedenkt. Ihn interessiert nur eine Frage: „Gibt es – jenseits subjektiver Hoffnungen, Befürchtungen und Interessen – bereits objektives Wissen über den Nutzen von IT in der Schule?“. Harte Empirie gegen bloße Meinung – das ist das typische Fast-Food-Hattie-Framing.

Anschließend muss Felten nur noch die geringen Effektstärken der IT-Faktoren bei Hattie abschreiben, um seine skeptische Position zu stärken: 

Mit einem Maximum von 0,57 und einem Minimum von 0,01 ergibt sich zunächst ein Mittelwert von 0,33, also eine höchstens durchschnittliche Wirkmacht des digitalgestützten Lehrens und Lernens. Interessant sind einige Einzelbefunde: Klassen nur mit Laptops auszustatten (und ansonsten nichts zu verändern), bringt kaum etwas (0,16) […]. (Felten 2020, Kursivierung von mir, A.K.).

Damit – so scheint es – ist die Frage nach der Wirksamkeit digital gestützten Lernens bis auf die zweite Nachkommastelle genau entschieden. Feltens Fazit lautet:

Also: IT in der Schule wird erheblich überschätzt – nicht zu früh einsetzen, nicht zu häufig! Denn die mediale Motivation ist kurzlebig – und die Datenflut überwältigend, man riskiert Scheinbildung. (Felten 2020)

Feltens Hattie-Instrumentalisierung ist typisch, weil aus einer konservativen Position heraus argumentiert wird, der jedes Verständnis für die Kultur der Digitalität fehlt. Etwas „völlig Neues“ kann Felten nicht erkennen, wenn digitale Technik genutzt wird. Bestenfalls werde der Fachunterricht aufgelockert. Apps sind für ihn bloßes Handwerkszeug. Die Nutzung von Etherpads hält er „unter dem Gesichtspunkt Bildung“ (sic!) für fragwürdig. 

Besonders der letzte Punkt macht deutlich, dass Felten für die Veränderungen des Lernens unter den Bedingungen der Digitalität blind ist. Wer kollaboratives Schreiben für fragwürdig hält, urteilt – ohne das zu reflektieren – aus der Perspektive der Buchkultur, in der Formen des Schreibens, die sich vom einsamen „Gespräch mit einem weißen Blatt Papier“ (Wygotski 1934, S. 224f) unterscheiden, nicht vorgesehen sind. 

Entscheidend ist, dass diese Paradigmen-Blindheit aus prinzipiellen Gründen auch in der Hattie-Studie steckt. Denn natürlich kann Hattie nur Studien auswerten, die unter den jeweils aktuellen Bedingungen in den Schulen durchgeführt wurden. Selbst dann, wenn es gelänge, ein Studiendesign zu finden, das der Komplexität des Unterrichts vollkommen gerecht würde und das sogar kausale Inferenzen zuließe, würde man die Effektstärke digitaler Medien immer noch im falschen Paradigma messen: in einer Schulkultur, die für Buch-und-Schrift-Pädagogik optimiert ist und auf Prüfungen vorbereitet, in denen digitale Technik verboten ist.

Um es mit einer weiteren Analogie zu sagen: Die Effektstärke von Schlittschuhen im Hinblick auf die Fortbewegungsgeschwindigkeit sollte auf einer Eisbahn gemessen werden, nicht auf Sand. Und die Schulwirklichkeit in Deutschland ist in den allermeisten Fällen eine Sandbahn.

Pearl und MacKenzie sprechen in ihrem „Book of Why“ (2018, S. 143) in Anlehnung an R.A. Fischer von Wissenschaft als einer „skillful interrogation of Nature“, die ihre Tücken hat. Denn: 

Nature is like a genie that answers exactly the question we pose, not necessarily the one we intend to ask.

Die empirische Bildungsforschung möchte die Frage stellen: „Verbessern digitale Medien das Lernen?”. In Wirklichkeit stellt sie aber die Frage: „Verbessern digitale Medien das Lernen unter Bedingungen, die für das Lernen mit Buch und Schrift gemacht sind?“. Und die Natur antwortet: „Wenn überhaupt, dann nur ein bisschen.“

Aus dieser Antwort kann man – wie Felten – in Fast-Food-Hattie-Manier schließen, dass man das Risiko der „Scheinbildung“ durch digitale Technik nur in Maßen („nicht zu früh […], nicht zu häufig!“) eingehen sollte.

Oder man kann daraus schließen, dass sich die Unterrichtskultur verändern muss, damit digitale Medien ganz selbstverständlich zum Lernen genutzt werden können.

SCREAM – ein Bildungspuzzle

Damit sind die einzelnen Puzzle-Teile benannt, die sich in der Debatte über Bildung und Digitalisierung häufig zusammenfügen:

(Ein herzlicher Dank geht an Lars Zumbansen, der die Idee für diese Grafik und für die Animation hatte.)

Man könnte das als SCREAM-Konstellation bezeichnen (Seven Crucial Recipes Ending All Modifications), die dazu beiträgt, Veränderungsprozesse zu verlangsamen oder gar zu stoppen. 

Nicht jeder Text, der diese Begriffe enthält oder auf die entsprechenden Konzepte verweist, ist problematisch. Ich wage aber die These, dass man aus der Häufigkeit, mit der die Begriffe in einem Text vorkommen, einen SCREAM-Wert berechnen könnte, der als guter Prädiktor für die ideologische Ausrichtung eines Textes taugt, d.h. Rückschlüsse darüber zulässt, ob eher konservativ oder progressiv argumentiert wird. 

Vielleicht kennt (oder schreibt) jemand ein kurzes Programm, mit dem man diese These empirisch überprüfen kann.

Literatur:

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Rosa, Lisa (2017): Lernen im digitalen Zeitalter. Online-Quelle: https://shiftingschool.wordpress.com/2017/11/28/lernen-im-digitalen-zeitalter/ (18.09.2020)

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Schaumburg, Heike (2018): Empirische Befunde zur Wirksamkeit unterschiedlicher Konzepte des digital unterstützten Lernens. In: McElvany, Nele/Schwabe, Franziska/Bos, Wilfried/Holtappels, Heinz Günter (Hrsg.): Digitalisierung in der schulischen Bildung. Chancen und Herausforderungen. Münster, New York: Waxmann (=IFS-Bildungsdialoge Band 2). S. 27-40.

Schmidt, Robin (2020): Post-digitale Bildung. In: Demantowsky, Marko/Lauer, Gerhard/Schmidt, Robin/te Wildt, Bert (Hrsg.): Was macht die Digitalisierung mit den Hochschulen? Einwürfe und Provokationen. Oldenbourg: de Gruyter. S. 57-70.

Schmitz, Oliver/Dreier, Ricarda/Nölte, Björn/Krommer, Axel (2020): Zeitgemäße Prüfungsformate für den Distanzunterricht. Online-Quelle: https://medium.com/@szcgn/zeitgem%C3%A4%C3%9Fe-pr%C3%BCfungsformate-f%C3%BCr-den-distanzunterricht-adb4a1ffda91 (18.09.2020).

Stalder, Felix (2016): Kultur der Digitalität. Frankfurt am Main: Suhrkamp (=edition suhrkamp 2679).

Weinberger, David (2011): Too Big to Know. New York: Basic Books.

Wermke, Jutta (1997): Integrierte Medienerziehung im Fachunterricht. Schwerpunkt: Deutsch. München: KoPäd.

Wygotski, Lew Semjonowitsch (1934): Denken und Sprechen. Berlin: Akademie Verlag 1964. 

Zierer, Klaus (2015): Kernbotschaften aus Hatties „Visible Learning“. Online-Quelle: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=c943ad48-df39-d2f1-aa54-80d5f432815a&groupId=252038 (18.09.2020)

Zierer, Klaus (2018): Lernen 4.0. Pädagogik vor Technik. Möglichkeiten und Grenzen einer Digitalisierung im Bildungsbereich. 2., erweiterte Auflage. Hohengehren: Schneider.

13 Gedanken zu “Warum wir kein digital gestütztes Lernen brauchen – ein Bildungs-Puzzle

  1. Besonders absurd wird die Ansicht vom „digital gestützten“ Lernen ja jetzt, wenn wir Lehrer*innen (billige) Dienstlaptops bekommen, unser eigenes Equipment wahrscheinlich aus Datenschutzgründen nicht mehr verwenden dürfen und alle bisherigen Konzepte nicht mehr kompatibel sind.
    Ich wünschte mir mehr Freiheit und den Blick nach vorn, gerade in der Lehrer*innenausbildung. Das Krückenbild gebe ich gerne an meine LAA weiter. Einleuchtend. Ernüchternd.

  2. Ich habe diesen klugen Text sehr gerne gelesen. Ich finde die in einem früheren Text dokumentierte These überzeugend, dass digitale Medien das Lehren und Lernen verändern und erweitern können. Stützen klingt im Vergleich tatsächlich schwächer. Welcher Begriff wäre denn dann angemessener für eine Alltagspraxis, die ihr Selbstverständnis bzw. ihre Kultur unter den Bedingungen der Digitalität wandelt? Langsam aber sicher zunehmend digital verändert und erweiterter Unterricht?

  3. Pingback: Das Mantra vom Präsenzunterricht – digi(B)log

  4. Vorab: Ich bin ein großer Fan Ihrer Analysen. Ich wundere mich jedoch über Ihre harsche Kritik am SAMR-Modell. Bei ihrem Vortrag zum Aachener Didaktiktag 2020 behaupteten Sie gar, dass das SAMR-Modell „ganz viel Schaden anrichte“. Vielmehr sehe ich das SAMR-Modell als hoch anschlussfähig an ihre Überlegungen, z.B. bezüglich einer „Palliativen Didaktik“.

    Mit der Leasart, das SAMR-Modell bediene einen trivialen Medienbegriff, haben Sie durchaus einen Punkt. Ich lese das Modell jedoch anders: Meines Erachtens unterscheidet es den Einsatz digitaler Medien in pädagogisch tradierte Szenarien (Stufe 1 + 2, „palliative Didaktik“) sowie Szenarien zeitgemäßen Lernens (Stufe 3+4, Kollaboration, kreativ-produktives Lernen, etc.). Anders ausgedrückt: Stufe 1 und 2 bezieht sich auf Lernszenarien des Gutenberg-Paradigmas, Stufe 3+4 auf Szenarien des Turing-Paradigma.

    Auf diese Weise hilft mir das SAMR-Modell Lernszenarien mit digitalen Medien zu reflektieren. Und dies ist auch notwendig, denn zu häufig geht es in der Praxis um Digitalisierung des Unterrichts anstelle eines Lernens und Lehrens unter den Bedingungen der Digitalität.

    • Danke für den differenzierten Kommentar!

      Ich glaube, dass man das SAMR-Modell durchaus sinnvoll nutzen kann.

      Ich glaube aber auch, dass die Angebote, die das Modell zur Nutzung macht, in die falsche Richtung weisen.

      Auf der Stufe S versteckt sich der Werkzeug-Begriff des Mediums, das als neutrales Tool verstanden wird. Das ist bestenfalls eine heuristische Fiktion.

      Das ganze Modell folgt dann der fatalen Mehrwert-Logik. Nicht ohne Grund orientiert sich z.B. Klaus Zierer, der Medien als Werkzeuge versteht und immer nach ihrem Mehrwert fragt, konsequent am SAMR-Modell.

      Ich nehme Ihren Kommentar aber nochmal zum Anlass, alles, was gegen SAMR spricht, zu bündeln und aufzuschreiben. Ich glaube, es wird keine einzige Stufe „überleben“.

      In der Breite führt ein solches Modell dann dazu, dass sich die „falschen“ Ideen (Werkzeug, Mehrwert etc.) verbreiten. Dass es einzelne Anwender:innen gibt, die klug mit dem Modell umgehen, spricht nicht für das Modell, sondern für seine Nutzer:innen.

  5. Pingback: Konvergenz im DPACK-Modell – DigiLog.Blog

  6. Pingback: Lehrer:innen(aus)bildung – ein Entwicklungsvorhaben, keine mit einer Prüfung abgeschlossene Phase – Agil lernen

  7. Pingback: Der letzte Stand der Digitalisierung – Zum Verhältnis von Bildung und Digitalisierung – SEagent

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  9. Der entscheidende Faktor ist doch, wie viel Aufwand in die Unterrichtsvorbereitung stecken muss. Kann ich den Kram nicht mindestens mehrere Jahre hintereinander nutzen, lohnt sich die Arbeit nicht.

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