Der Bildungsdiskurs als Kippfigur. Oder: wo der Hase langläuft.

In seinem Buch „Small Pieces Loosely Joined” (2002) beschreibt David Weinberger, wie das Web die Grundpfeiler der Buchkultur erschüttert hat:

„The Web has blown documents apart. It treats tightly bound volumes like a collection of ideas – none longer than can fit on a single screen – that the reader can consult in the order she or he wants, regardless of the author’s intentions. It makes links beyond the document’s covers an integral part of every document. What once was literally a tight bound entity has been ripped into pieces and thrown into the air. What the Web has done to documents it is doing to just about every institution it touches.” (Weinberger 2002, S. ix)

Was Weinberger hier über das Web sagt, gilt auch für die anderen kulturell prägenden Formen. In einem ausführlichen Text habe ich aus medienkultureller Perspektive zu umreißen versucht, wie Oralität, Skriptografie und Typografie jeweils unsere Konzepte von Wissen und Lernen verändert haben (vgl. Krommer 2019). Diese Sichtweise beruht auf einem abstrakten Medienbegriff, der mit dem Common-Sense-Verständnis von Medien als reinen Mittlern oder unterstützenden Werkzeugen nicht vereinbar ist (vgl. hierzu Krommer 2018).

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Paradigmen und palliative Didaktik. Oder: Wie Medien Wissen und Lernen prägen.

„Transform the medium by which we develop, preserve, and communicate knowledge, and we transform knowledge.“ (Weinberger 2011, IX)

Der folgende Text stellt den Versuch dar, den aktuellen Diskurs über zeitgemäße Bildung aus einer kulturhistorischen Perspektive zu beleuchten. Es soll zumindest in Ansätzen gezeigt werden, wie Medien als gesellschaftliche und kulturelle Formen zentrale Konzepte wie Wissen und Lernen prägen und warum Prozesse der Schulentwicklung so quälend langsam sind.

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Warum Skinner-Apps nicht als Einstieg in die Arbeit mit digitalen Medien taugen

Um den Einsatz didaktisch problematischer Skinner-Formate wie LearningApps, LearningSnacks, Kahoot etc. zu rechtfertigen, wird häufig folgendes Argument vorgetragen:

Skinner-Formate erlauben einen einfachen Einstieg in die Arbeit mit digitalen Medien. Gerade Kolleg(inn)en, die im Umgang mit digitalen Medien unerfahren sind, sich aber neugierig auf den Weg machen möchten, brauchen einfache Einstiege. Also ist es für diese Kolleg(inn)en legitim, Skinner-Formate zu nutzen.

In der Konsequenz wird dann denjenigen, die Skinner-Formate aus didaktischen Gründen ablehnen, vorgeworfen, unerfahrenen Kolleg(inn)en den Zugang zur Arbeit mit digitalen Medien im Unterricht unnötig zu erschweren.

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Dagobert Duck, Michael Giesecke und die Mythen der Buchkultur

Im Lustigen Taschenbuch Nr. 518 („Das schlaue Buch in Gefahr“) gibt es eine Geschichte mit dem Titel „Duell der Alleswisser“. Darin bitten Tick, Trick und Track ihren Onkel Dagobert um Geld für eine Bibliothek, die aus der Sicht der Kinder „ein Ort der Unterhaltung und der Bildung“ ist. Doch Dagobert hat ganz andere Sorgen: Seiner Fernseh-Quizshow laufen die Zuschauer weg. Der Grund dafür ist, dass die Kandidaten so ungebildet sind, dass sie die einfachsten Fragen („Lautet die Hauptstadt von Frankreich Paris oder Arizona?“) nicht beantworten können.

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Philosophiedidaktik und digitale Medien. Eine kritische Bestandsaufnahme.

Wer sich als Student oder Referendarin einen ersten Überblick über die Fachdidaktik Philosophie verschaffen möchte, greift in der Regel zum gedruckten Buch. Insbesondere als Anfänger(in) erwartet man hier sorgfältig lektoriertes und vertrauenswürdiges Material, das man – wenn überhaupt – im Internet nur mit erheblichem Zusatzaufwand selbst finden und zusammenstellen könnte. Die Bedeutung der einschlägigen Einführungswerke sollte aus mindestens drei Gründen nicht unterschätzt werden: Nach außen hin repräsentieren sie die wichtigsten Grundlagen der Fachdisziplin, auf einer subjektiven Ebene prägen sie als Initiations-Lektüre zumindest unterschwellig die Einstellung zur Philosophiedidaktik und schließlich besitzen sie – ähnlich wie die Curricula – institutionellen Charakter, wenn sie z.B. als Pflichtlektüre im (Fach-)Seminar prüfungsrelevant werden.

Im Folgenden soll der spezifischen Frage nachgegangen werden, wie sich die Fachdidaktik Philosophie im Diskurs über zeitgemäße Bildung (bzw. das Lernen und Lehren unter den Bedingungen der Digitalität) in den Einführungswerken und im Kernlehrplan positioniert.

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Die Trivialisierung der Pädagogik

Folgt man der Sprechakttheorie, gibt es für unterschiedliche Sprechakt-Typen (z.B. behaupten, versprechen, auffordern, grüßen) unterschiedliche konstitutive Regeln. Nur dann, wenn diese Regeln befolgt werden, gelingt der jeweilige Sprechakt (vgl. hierzu ausführlich: Searle, John: Sprechakte. 4. Auflage. Ffm.: Suhrkamp 1990, Kapitel 3).

Um es an einigen Beispielen zu verdeutlichen:

Zu den konstitutiven Regeln einer Aufforderung A gehört, dass sich A auf eine zukünftige Handlung H einer Person P bezieht: Wenn P aufgefordert wird, H in der Vergangenheit zu tun („Björn-Kevin, räume gestern dein Zimmer auf!“), misslingt der Sprechakt.

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Schafkopf, Philologenverband und Opa Hoppenstedt

Am 27.12.2018 gelang dem Bayerischen Philologenverband – sehr wahrscheinlich unbeabsichtigt – ein erstaunlicher PR-Coup:

Von Mainpost über Mittelbayerische, BILD, Süddeutsche und WELT bis zum SPIEGEL berichteten zahlreiche Zeitungen und Magazine über den ernst gemeinten Vorschlag, das Kartenspiel Schafkopf auf den Stundenplan zu setzen.

Schafkopf stehe in den stürmischen Zeiten der Globalisierung für eine Rückbesinnung auf Heimat und Tradition und sei ein Abbild der Vielfalt und Einheit Bayerns, ließ der Verband verlauten. Selbst wider die lästige Digitalisierung könne man mit Schafkopf ein analoges Zeichen setzen, denn schließlich müsse man beim Kartenspielen in der realen Welt miteinander kommunizieren und das sei „das glatte Gegenteil wie bei einem Computerspiel.“ (sic!)

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Vokabeln lernen mit VR/AR

Heute stieß ich bei Twitter auf eine Reihe von Tweets, in denen die Möglichkeiten des Sprachenlernens durch Mixed Reality-Anwendungen (VR, AR) ausgelotet werden.

In einem der Lern-Szenarien führen “Berührungen” einzelner Bestandteile eines Hauses beispielsweise dazu, dass entsprechende Vokabeln (“das Haus”, “der Flur” etc.) angezeigt werden. Auf diese Weise lässt sich in einem virtuellen Rundgang erkunden, welche Wörter bzw. Vokabeln mit welchen Gegenständen oder Räumen verknüpft sind.

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